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Beweissicherung bei häuslicher Gewalt in Zeiten von Corona

Durch die erzwungene Nähe in den Familien aufgrund der Ausgangssperren entstehen derzeit starke Spannungen, die leider auch in körperlichen Übergriffen aller Art enden können.

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Auch wenn sich viele Betroffene sicher derzeit nicht an die Polizei wenden können, möchte ich ein paar Informationen zusammenstellen, die helfen können, im Fall von Übergriffen Beweise zu sammeln und zu sichern.

Denn derzeit werden auch in der Strafjustiz nur noch die ganz dringenden Fälle bearbeitet. Unter „dringend“ versteht die Justiz Fälle, die entweder Haftsachen oder sog. „lange Fortsetzer“ – also Verfahren, die schon lange laufen und unbedingt noch abgeschlossen werden sollen, sind. Dadurch bleiben viele Fälle erst mal liegen; es wird einige Zeit dauern, bis diese Fälle angefangen und abgearbeitet werden. Das bedeutet zum einen, dass man sich unter Umständen erst nach Jahren mit den derzeitigen Vorfällen wieder beschäftigen muss. Und zum anderen kann es sein, dass es in der Strafjustiz bei der späteren Aufarbeitung der vielen Fälle – insbesondere bei schwierigen Aussagen oder Konstellationen – zu einer erhöhten Einstellungsbereitschaft oder zu einer (noch) längeren Bearbeitungszeit der Fälle kommen könnte.

Daher macht es Sinn, Beweise zu dokumentieren und Erinnerungen so zu notieren, dass man später auf sie zurückgreifen kann. Hierfür stelle ich ein paar kurze Erklärungen und ein paar Anregungen zusammen, welche Punkte für die Justiz später ggf. wichtig sein oder werden könnten.

Rechtliches Hintergrundwissen:

Die Strafjustiz befasst sich in der Regel sehr detailliert mit bestimmten Einzeltaten. Wenn es zu mehreren Übergriffen gekommen ist, kann es dabei sein, dass bestimmte Ereignisse gar nicht im Fokus der Juristen landen. Entweder, weil sie nicht strafbar sind, weil sie im Vergleich zu anderen Taten als „Bagatellen“ erscheinen oder weil sie zu schwer zu beweisen wären. Die Einschätzung der Juristen ist nicht immer gleich mit der Einschätzung der Betroffenen, die möglicherweise die dauerhafte Angst oder den Psychoterror als viel schwerwiegender empfanden, als einen einzelnen Schlag.

Daher: lieber erst mal alles dokumentieren.

Tatsächliches Hintergrundwissen:

Beweise sollten – im bestmöglichen Fall – so dokumentiert werden, dass sie nicht mehr verändert werden vor einer Vernehmung.

Bei Fotos von Verletzungen sollten diese sowohl im Detail, als auch als Übersicht dokumentiert werden. Sollte nämlich später behauptet werden, die Verletzungen seien anders oder gar selbst zugefügt worden, kann nur bei Detail- und Übersichtsbildern ein Gerichtsmediziner hierzu Angaben machen.

Zu überlegen ist, wo und wie die Angaben gespeichert werden können. Handschriftlich im Tagebuch, in einer Cloud, durch Versand von Nachrichten oder Mails an eine Freundin oder an eine informierte Stelle? Ggf. erwägen: Gäbe es ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht der Person (Therapeutin, Anwalt/Anwältin, Arzt/Ärztin oder auch bei Familienangehörigen) oder nicht (der Rest).

Deeskalationsstrategien

Juristen ist gelegentlich unklar, warum (erwachsene) Personen im Zugriffsbereich von Schädigern bleiben. Es macht Sinn, um diesen Zustand zu wissen und ggf. erklären zu können, warum man blieb / bleiben musste.

Das „ob, wo und wie“ einer Beweissicherung sollte wohl überlegt sein; insbesondere, wenn bei Auffinden der Beweissicherung mit weiteren Übergriffen zu rechnen wäre.

Rechtsanwältin Elgin Bröhmer

  • Allgemeines Strafrecht
  • Wirtschaftsstrafrecht
  • Sexualstrafrecht
  • Nebenklage
  • Opfervertretung
  • Zeugenbeistand

Deeskalationsstrategien können auch als solche mit aufgenommen werden in die Beweissicherung. Eine Erklärung, man habe mit dem – sich gerade aggressiv hochfahrenden – Freund „zur Gefahrenabwehr“ geschlafen (was für Juristen je nach konkreter Ausgestaltung noch nicht unbedingt „unfreiwillig“ und somit selbst strafbewehrt wäre), kann im Rahmen von sog. Zumessungserwägungen durchaus in anderen Bereichen in eine Strafhöhe mit „eingepreist“ werden.

Anhaltspunkte für ein Gedächtnisprotokoll

  • Wann und wo wird das Protokoll geschrieben? Gab es bei einer Versendung (Mail, Nachrichten) zuvor Absprachen mit dem Empfänger, und falls ja, welche? Einfach diese Absprachen entweder beiderseits notieren oder ggf. auch nur nicht löschen.
  • Wann und wo fand was statt? Wie lange dauerte der Vorfall? Gab es Zeugen (Nachbarn hören so einiges; ggf. diese bitten (Zettel?), auch kurz einen Vermerk zu machen, was sie wann gehört haben)?
  • Bei sexuellen Übergriffen geht es stark um Details, bitte auch diese notieren, selbst wenn das Überwindung kostet. Wo, was genau, wann wie lange.
  • Einige Umstände, die zur Tat dazu gehören: ggf. Schäden in der Wohnung, an der Kleidung, kurze Stichworte zur Vorgeschichte, sofern es eine gab.
  • Alkohol / Drogen im Spiel (bitte – nicht nur aus Fairnessgesichtspunkten – von allen Beteiligten; es wirkt vor Gericht auch nicht gut, wenn herauskommt, dass das Opfer sich und die Gesamtsituation zu einseitig dargestellt hat).
  • Was geschah dann (sog. Nachtatverhalten).
  • Sofern passend: allgemeine Stimmung, sofern diese etwa dauerhaft aggressiv war. Beispiele finden.

Kontakt

Telefon: 030 – 311 02 19 – 0
Telefax: 030 – 311 02 19 – 15
E-Mail: broehmer@caspers-mock.de
Sekretariat: Frau Kaiser
caspers-mock.de

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